Mittwoch, 31. August 2011

Vulkanausbruch Teil 3: Endlich weg...

Endlich weg...

An dieser Stelle möchte ich erwähnen, dass ich abends zwei stundenlange Anrufe aus dem Ausland bekam, und noch einen am anderen Morgen, die mich nicht nur davon abhielten, weiterhin ziellos durchs Haus zu streichen oder aus dem Fenster zu starren, auf die menschenleere und völlig geräuschlose Straße, sondern mich auch davor bewahrten, völlig in meiner Angst zu versacken. Einen ganz großen Dank an Euch, dass ihr für mich da ward.
Endlich weg…



Am Morgen nach dem Ascheregen rief ich in der Werkstatt an und – oh Wunder - durfte das Auto bringen. Man verstand meine Lage. Es stellte sich heraus, dass es nur eine Kleinigkeit war und schon 20 Minuten später konnte ich wieder nach Hause fahren. 
Jetzt hielt mich nichts mehr in dieser weißen, menschenleeren Stadt. Hellwach und gar nicht mehr verwirrt riss ich alle Schränke auf, kramte unsere zwei Reisetaschen hervor, füllte sie in Windeseile mit warmen Sachen und den „guten“ Kleidern und neuen Schuhen - wie gut, dass wir so wenig besitzen –, packte die wichtigsten Papiere und die Spardose dazu. In einen Sack stopfte ich eines unserer Federbetten und einen Schlafsack.
Ich versuchte nicht zu sehen, was alles da bleiben musste. Das Herz hängt an so vielen unbedeutenden Dingen! Aber es hängt…! -  Mir kam Lots Weib in den Sinn… schnell… schnell… ich hatte keine Zeit zu verlieren, denn über der Stadt hing aufs Neue eine dunkle Wolke und jeden Augenblick konnte es zu spät sein, um das Auto zu beladen. Als ich die Haustür abschloss war mir klar, dass ich eventuell lange nicht mehr zurückkehren konnte. 

Und wenn es NIE wäre???

Als ich im Schritttempo aus der Stadt hinausfuhr, konnte ich die Straße kaum erkennen. Nicht nur, wegen der hochgewirbelten Asche draußen.

Chile: Evakuierung in und um Chaiten, zu Land und zu Wasser. Noch glauben die meisten,

dass sie bald wieder daheim sein werden...













 
Ungewisse Zukunft…
Noch am gleichen Tag beschlossen wir bangen Herzens am anderen Morgen die Farm zu verlassen. Nur wenige Millimeter Asche bedeckten das Land, viel weniger als in der Stadt, aber bei der leisesten Luftbewegung wirbelte dieser scharfe Staub von den Sträuchern und Bäumen. Uns schmerzte der Hals und brannte die Zunge, denn die verschmutzte Luft drang durch alle Ritzen des Holzhauses.

Experten meinten, es sei völlig ungewiss, was auf die Region zukomme. Es könne tagelang oder monatelang Asche regnen. Es bestehe sogar die Möglichkeit, dass es zu einer sehr großen Explosion kommen könne und dann könnten weite Landstriche die nächsten Jahre unbewohnbar sein. Jegliche Vorhersage sei unmöglich.
Wir wollten nicht warten, bis es zu spät wäre.
Bereits in der ersten Nacht nach dem Vulkanausbruch waren die Landstraßen von der Polizei gesperrt gewesen, wegen zu geringer Sichtweite. Das Benzin an den Tankstellen war knapp. Atemschutzmasken gab es nur noch auf dem Schwarzmarkt für den 300 fachen Normalpreis, Wasser wurde in den Läden nur noch eine Flasche pro Mann verkauft, zu horrenden Preisen.
Den ganzen Nachmittag, den Abend und die halbe Nacht brachten wir damit zu, alles für die Abreise vorzubereiten. Lange ist die Liste, was da alles zu bedenken und zu versorgen war…vor allem: die Tiere. 
Wir verstauten noch ein paar Lebensmittel im Auto, einen Kanister Mineralwasser und einen Rucksack mit Anoraks und dicken Strickjacken. Unsere Habe, die zurückblieb, verpackten wir so weit als möglich in Kartons, um sie vor der Asche zu schützen.
Obwohl wir am Vorabend das Auto schon abfahrtsbereit gemacht hatten, standen wir lange vor Tagesanbruch auf. Wir stapelten die Matratzen aufeinander, das Bettzeug dazu und deckten alles ab. Dann standen wir unschlüssig in der Küche herum, und schauten trübsinnig der kleinen Toni zu, die quietschfidel hinter einer Walnuss her flitzte. Für sie war es ein toller Morgen - wie jeder Morgen.
Erst vor wenigen Wochen hatte unser Hund sie fast erfroren aufgestöbert, und wir hatten das winzige Katzenbaby mithilfe des Tierarztes halbwegs aufgepäppelt. Würde sie überleben? Wir stellten den Katzen den Sack mit Futter in den Schuppen. Sie würden in weniger als einer Woche alles gefressen haben. Und dann? Konnte die Toni schon Mäuse fangen? Sie war noch so klein.
Die Kühe und Pferde blieben auf den Weiden sich selbst überlassen. Würden sie das Wasser aus dem Bach trinken können? Würden sie Atemprobleme bekommen, erblinden? Fressen ohne Asche finden? Würden wir sie wiedersehen?

...aber nur wenige Tage später gibt es für die Einwohner keine Heimat mehr. Wasser - und Schlammfluten haben von den 1500 Häusern Chaitens 500 völlig zerstört.

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                          









Chaiten: Häuser, Möbel, Hausrat, Spielzeug, Fotos, Papiere, Tiere, Arbeit, Hoffnungen, Träume, … Heimat gewesen für tausende Männer, Frauen und Kinder.
 




















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